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Selected Poems by Erich Ruschkewitz |
The following poems are reprinted from Adlers Brauhaus bis Leichenschauhaus, by the Jewish Danzig poet and journalist Erich Ruschkewitz (Danzig, 1929), with kind permission from Frank Meisler. Please also see the biographical sketch of the author by Prof. Marion Brandt.
Danziger Nacht Freilich: ganz so, wie sie der Freiherr Joseph von Eichendorff bedichtet, ist sie natürlich nicht im entferntesten mehr. Aber das ist ja auch schon eine Reihe von Jahren her, und der selige Romantiker war nicht zu Prophezeiungen verpflichtet. Der Mond in seinen einzelnen Phasen blieb immerhin derselbe, und ebenso die übrigen Requisiten am Himmelsgewölbe. Und die erwähnten bleichen Statuen wie Gespenster immer noch lautlos an den Türen steh'n, während die dunklen Giebel und die hohen Fenster sowie die Türme genau wie damals tief aus Nebeln sehn. Vielleicht, daß es auch Am brausenden Wasser nicht anders war. Oder zur Sommerzeit auf dem Grüngürtel. Vielleicht sogar, daß Gustav zu Emil in Ohra, oder wie es dazumal hieß, "Eck woar di wiese!" sagte und ihm das Messer in die Gedärme stieß. Wer kann das mit Bestimmtheit, sagen? Ist es ferner nicht möglich, daß schon zu Eichendorffs Tagen sich jemand im Steffenspark eine Kugel in den Schädel jagte, weil ihm beim besten Willen das Leben nicht mehr sonderlich behagte? Danziger Mai Das bleibt sich gleich: ob an der Riviera oder an der Radaune, ein richtiger Mai verpflichtet zu strahlender Laune. (Als ob im übrigen der Bischofsberg mit allem so umher aus Pappe oder sonstwas wär' . . .) Ich habe hierüber noch vor zwei bis drei Wochen mit einem Freunde aus der Tagnetergasse gesprochen. Der mußte erst sieben kleine Machandel heben, und hat mir dann aber völlig recht gegeben, denn im ganzen Steffenspark ist kein einziges Bänkchen frei. Wer wirft da wohl den ersten Stein gegen den Danziger Mai? Ich werfe nicht, du wirfst nicht, und wir werfen alle nicht, denn Ruhe ist nach wie vor die erste Bürgerpflicht, und wie es dir ums Herz auch immer sei, bewahre deine Würde erst recht im Mai! Frohlocke inwärts, fall' auch in Ekstase, aber möglichst stumm, denn was nützt dir der Garten vor dem Polizeipräsidium mit seinen Tulpen, Primeln und Reseden, wenn die Leute darin nicht gerade günstig über dich reden? Im übrigen aber bleibt es natürlich dabei: ob an der Mottlau oder am Jenissei, Mai bleibt Mai! Ausklang Meiner Mutter zugeeignet Dann aber ist man viele Meilen eines Tags entfernt. Und wo man lebt und lacht und weint, da ist der Himmel auch besternt, und man erkennt, daß dieselbe Sonne scheint, und daß die Blumen, die Tiere, der Regen und Wind und die Lieder genau dieselben sind. Nur irgend etwas fehlt. Ein Haus? Ein Fenster? Ein Gesicht? Eine Stimme, die weich und leis zu dir spricht? Und plötzlich, wenn ein Mädchen dich streichelt und küßt, fühlst du, wie völlig fremd du hier bist, . . . Die Stadt mit ihren schmalen Gassen, dunklen Wegen, der alte Rathausturm mit seinen Glockenschlägen, und die See und das Haus, in dem du geboren: Alles versunken? Alles verloren? . . . Steh' auf! Geh' ins Cafe! Laß alles dir egal sein! Du wirst doch, zum Teufel! nicht etwa sentimental sein? |